Zugspitz-Ultratrail 2016 - die Welt zu Gast in Grainau

Zugspitz Ultratrail
Blick auf das Wettersteingebirge (am Freitag vor dem großen Rennen)

Am 16. Juni war es endlich soweit: Es ging Richtung Alpen nach Grainau, um an der Supertrailvariante des Zugspitz Ultratrails teilzunehmen. Nachdem hier vor einem Jahr schon katastrophale Wetterbedingungen herrschten, sah es in 2016 nicht nicht bedeutend besser aus: Seit Wochen nichts als Regen! Zur Freude der Läuferschar standen die Prognosen für den Samstag jedoch recht ordentlich. Es winkte der beste Tag der Woche und der Wetterdienst versprach zumindest bis in den Nachmittag hinein relativ trockene Bedingungen.  

Am Freitagabend prasselte allerdings nochmal ein sehr heftiges Gewitter auf das Wettersteingebirge nieder, als die 2500 Starter (auf 5 verschiedenen Distanzen) sich im Grainauer Musikpavillon – Zentrum der Veranstaltung und Start/Zielbereich - zur Pastaparty und zum Briefing trafen. Für das leibliche Wohl war hier bestens gesorgt. Es gab es eine üppige Portion Nudeln mit Tomatensoße, Salat und ein Freigetränk.

Highlight war aus meiner Sicht allerdings der Einmarsch der Zwerge, als eine in Trachten gehüllte Kindergruppe mit den einzelnen Landesflaggen auf die Bühne marschierte. Satte 50 Nationen hatten sich heute hier zusammengefunden, um auf 5 verschiedenen Distanzen die Bergwelt rund um Grainau zu erkunden. Darunter Läufer aus Brasilien, Neuseeland, Südafrika, USA, China, Singapur und vielen anderen Teilen der Welt – dieses internationale Publikum verlieh der Veranstaltung in meinen Augen ein besonderes Flair. 

 

 

 

Am nächsten Morgen wurde es dann ernst: Zunächst sammelten sich die Ultratrailer im Musikpavillion und gingen um 7:15 auf ihre mehr als 100km lange Odyssee. Begleitet wurden sie auf den ersten Metern von der örtlichen Musikkapelle.

Für die Supertrailer stand zunächst noch der Bustransfer nach Leutsch auf der Agenda, bevor der Startschuss ertönte. Von Leutasch aus hieß die Mission, sich 63km und knapp 3000 Höhenmeter zurück nach Grainau zu kämpfen. Der Transfer war bestens organisiert und durch den sehr unterhaltsamen Busfahrer, der allerlei markige Sprüche während der Fahrt parat hatte, trotz Stehplatz recht kurzweilig. Zitat: „Ihr wissts ja, Leutasch is a Östreichische Gmaind, wenn sich da zwoi Eheleut schoiden lassen, nennens sich wieder Bruder und Schwester!“

Nicht nur der Busfahrer war am Morgen bester Laune, auch der Wettergott zeigte sich in Leutsch sehr versöhnlich und präsentierte rund um den Startbereich äußerst angenehme Temperaturen und Sonnenschein. Nach der Busfahrt war erstmal das obligatorische Anstehen am Toilettenwagen angesagt. Vielen Mitstreitern war die Schlange zu lang und sie begaben sich lieber schnell zum nahe gelegenen Grünstreifen, wo sie von der erzürnten Nachbarin auf dem Balkon lauthals verflucht wurden :). Die Kontrolle der Pflichtausrüstung wurde sehr gewissenhaft durchgeführt, bevor die Läufer den Startbereich betreten durften.

Nach Ansprache des Leutascher Bürgermeisters ertönte für etwa 450 Läufer der Startschuss für die Supertraildistanz. Auf den ersten Kilometern war in flachem Gelände erstmal ausgiebiges Einrollen angesagt, bevor der erste große Anstieg zum Scharnitzjoch, mit 2079 Metern höchster Punkt der Supertraildistanz, erfolgte. Das Scharnitzjoch war abwechselnd über Trails und Forststraßen zu erklimmen. Da die Beine noch sehr frisch waren, kamen wir zügig voran. Bei dem problemlosen Vorwärtskommen schlich sich bei mir als Mittelgebirgsläufer der naive Gedanke ein, dass der letzte Anstieg - mit vergleichbarem Höhenprofil - ja dann wohl auch nicht so schlimm werden sollte. Weit gefehlt - aber dazu später mehr. Nachdem wir das Scharnitzjoch hinter uns gelassen hatten, waren kleine Schneefelder zu passieren, bevor wir es im Downhill über Almwiesen und in einem technisch anspruchsvollen Singeltrail ins Tal krachen lassen durften – hier erreichten wir den ersten Verpflegungspunkt am Hubertushof, angefeuert von zahlreichen Zuschauern.

Weiter ging es über  flache Forststrassenkilometer und einen kurzen Strassenabschnitt entlang, wo von meinen Mitläufern ein strammes Tempo gegangen wurde und wir folglich ordentlich Meter machten. Für landschaftliche Abwechslung sorgte der Einstieg in die Geisterklamm, über die wir schließlich Mittenwald erreichten, das wir jedoch nur am Ortsrand streiften und in einen kleinen Trail hinauf zum VP2 (bei km 25) abbogen.

Auf dem folgenden Streckenabschnitt (Franzosensteig, wenn ich recht informiert bin) erwarteten uns sehr schöne und gut zu laufende Trails in leicht welligem Gelände, die den Weg zum Ferchensee bahnten, wo sich die Trailer bei VP3 und nach 30 zurückgelegten Kilometern erneut stärken durften.

Weiter ging die Reise über eine langweilige Schotterpiste zum Schloss Elmau. So langsam aber sicher bewegten sich die Beine mühseliger voran. Kurze Straßenüberquerung beim Schloss Elmau und es stand der der nächste Anstieg zur Elmauer Alm auf dem Zettel, der auf dem Streckenprofil nicht gerade furchteinflössend aussah, den ich in Wirklichkeit aber als sehr kräftezehrend empfand, da es einige giftige Uphills hochzukraxeln galt. Oben angekommen, verbesserte das wellige Gelände nach der Elamauer Alm nicht gerade die Laune, das gespickt war mit kurzen An –und Anstiegen, die es sehr schwer machten, einen Rhythmus zu finden. Der User „bz1345“ hat das im Forum des Trailmagazins passend auf den Punkt gebracht: „Ich fand auf der neuen Passage hingegen das ständige Auf-und-Ab mental etwas belastend: Denn ich habe immer erwartet, dass es irgendwann ins Tal geht und dann kam (wieder) der nächste (kleine) Anstieg.“ Entschädigt wurden wir zunächst durch den Anblick einer Almwiese, die sich in herrlicher Blumenpracht präsentierte und später mit einem sehr schön zu laufenden Downhill runter in die Partnachklamm. Die Freude war allerdings nur von kurzer Dauer, denn gleich nach der Durchquerung der Partnachklamm folgte wieder ein steiler Trail hoch zur Partnachalm, wo die Gesichter von mir und meinen Mitstreitern am VP4 mittlerweile wesentlich gequälter dreinschauten. 

 

Zu diesem Zeitpunkt waren 43km absolviert und der nächste Streckenabschnitt hatte wieder einige Forstastrassenkilometer parat, bevor der letzte lange Anstieg zum Osterfelderkopf über mehr als 1000HM anstand. Wieder war eine kleine Forststraßenrampe zu bezwingen, bevor wir uns auf einem Singeltrail in endlosen Serpentinen nach oben schraubten. Wir Supertrailer im vorderen Feld sind hier auf die hinteren Basetrailer aufgelaufen,  die sich ebenfalls den Berg hochkämpften. In Anbetracht schwindender Kräfte empfand ich diesen Anstieg zermürbend – aber Alpenberge sind halt kein Mittelgebirgsterrain – um auf die naive Prognose vom Scharnitzjoch zurückzukommen! Der Pfad präsentierte sich sehr matschig, ausgewaschen und umgefallene Bäume verlangten immer wieder kleinere Klettereinlagen. Mut machten die Zuschauer oben bei der nächsten Verpflegungsstation Nr.5 am Längenfelder, die mit ihren Anfeuerungsrufen und Tröten für ordentlich Rabatz sorgten. Beim VP herrschte nicht nur durch die Zuschauer hektisches Treiben, auch die Basetrailer scharten sich zu Dutzenden hier, um sich zu für den finalen Anstieg zum Osterfelderkopf zu stärken. Fortan ging es über eine breite Forststraße, die allerdings nicht viel minder anstrengend zu „laufen“ (wandern in Wirklichkeit ;-)) war, als der vorherige Trail – es war vielmehr weiterhin voller Stockeinsatz gefordert. Das Schnaufen wurde lauter, der Puls stieg und so langsam kam die Frage auf, was um alles in der Welt im Oberstübchen falsch gelaufen ist, dass man sich für solche Distanzen anmeldet, anstatt gemütlich daheim auf der Couch die Fußball-EM zu schauen!

Zwei Tage nach dem Rennen gings nochmal hoch auf den Osterfelderkopf - endlich konnte die Aussicht in Ruhe genossen werden :)
Zwei Tage nach dem Rennen gings nochmal hoch auf den Osterfelderkopf - endlich konnte die Aussicht in Ruhe genossen werden :)

 

Oben am Osterfelderkopf angekommen (endlich!) wurden wir mit einem herrlichen Blick ins Tal auf Grainau und Garmisch-Partenkirchen belohnt. Trotz einsetzendem Regen war die Sicht sehr klar und zahlreiche Trailer zückten ihre Handykameras. Da ich mittlerweile bald auf dem Zahnfleisch ging, ersparte ich mir längeres Staunen und machte mich an den finalen Abstieg. Die Freude über die Bezwingung des Osterfelderkopfes war groß, die Ernüchterung über den Zustand des Downhills leider ebenso. Der Trail präsentierte sich in einem fürchterlichen Zustand, der Weg war total ausgewaschen und dermaßen verblockt und mit Geröll übersät, dass ich mit meinen bescheidenden Downhillfähigkeiten viele Passagen nur im Wanderschritt bewältigen konnte.

Vor dem letzten VP6 (der gleichzeitig VP5 war, da wir über den Osterfelderkopf eine Schleife drehten) gab es glücklicherweise wieder mal ein recht gut zu laufendes Stück. Schnell noch ein paar Getränke reingeschüttet am VP, etwas Obst verzehrt und ab ging es auf die Endspurtkilometer, die sich streckenweise in einem ähnlich katastrophalen Zustand befanden, wie der eben beschriebene Abschnitt. Zwei andere Läufer der Supertrailvariante lieferten hier nochmal Anschauungsunterricht, wie man einen solchen Trail in halsbrecherischen Tempo runterjagen kann. Ich ging es lieber langsam an und wollte kurz vor dem Ziel keinen Sturz mehr riskieren. Zumal man neben der Konzentration auf die schlechte Wegbeschaffenheit auch immer noch die Basetrailer vor sich im Blick behalten musste, die hier zahlreich am herunterwandern waren und eine Slalomeinlage nach der anderen abverlangten. Ich muss diesen Läufern allerdings ein großes Kompliment machen, nahezu jeder war bemüht darum, auf den schmalen Trails Platz zu machen, damit man nur minimal aufgehalten wurde – der ein oder andere spendete sogar Applaus und Anerkennung.

Kurz vor Hammersbach hab ich mich dann doch noch schön aufs Maul gelegt, als ich auf einer spiegelglatten Holzplanke ausgerutscht bin – zum Glück bis auf ein ramponiertes Handy alles unbeschadet überstanden :). Dann noch kurz durch Wiesen mit knöcheltiefem Matsch gewattet und der Trail entließ uns in Hammersbach, von wo noch knapp 2 Kilometer zu bewerkstelligen waren.

Ich habe noch nie einen Stadtmarathon absolviert und laufe in der Regel bei kleineren Trailveranstaltungen, die wenig bis gar kein Zuschauerinteresse wecken. Von daher waren die letzten 1,5km bis ins Ziel für mich eine besondere Erfahrung mit sicherlich bleibender Erinnerung: Überall Zuschauer am Wegesrand, die applaudierten und jeden einzelnen Läufern jubelnd ins Ziel trugen, dazu einheimische Kinder, die uns abklatschten – sehr schöne Emotionen und ein toller Zieleinlauf. Mit diesem Finish war auch wieder unmissverständlich die weiter oben erwähnte Frage geklärt, was zum Teufel uns zu einem Start über solche Distanzen treibt, anstatt dem inneren Schweinehund auf der Couch zu frönen! Das Freud und Leid bei unserem (nicht immer ungefährlichen Sport) allerdings nah beisammen liegen, rief mir ein gerade startender Rettungshubschrauber der Bergwacht ins Gedächtnis.

Nachdem die Finishermedaille stolz entgegen genommen wurde, war erstmal ausgiebiges Räubern am Zielbuffet angesagt, dass allerlei Köstlichkeiten parat hatte:)

 

Da ist das Ding!
Da ist das Ding!

 

Ergebnisse

 

Auf der Supertraildistanz siegte Matthias Bauer vom Team Salomon in einer Zeit von 6:20, vor seinem Teamkollegen Lukas Sörgel. Die Bronzemedaille streifte Artem Rostovtsev aus Russland über.

Die Sieger des Salomon Zugspitz-Supertrails
Die Sieger des Salomon Zugspitz-Supertrails

Thomas Farbmacher vom Salomon Running Team Austria gewann den Ultratrail (in diesem Jahr nach kurzfristiger Streckenänderung 106km lang), in einer Zeit von 11:40.09, gefolgt von Matthias Dippacher (Team Dynafit) und Benni Bublak aus Berlin.

Siegerpodium des Ultratrails
Siegerpodium des Ultratrails

Bei den Frauen siegte die Schwedin Kristin Berglund mit einer eindrucksvollen Leistung von 13 Stunden und 21 Minuten auf der Ultradistanz. Sie hatte damit fast zwei Stunden Vorsprung auf die Zweitplazierte Ildikó Wermescher. Mit Platz machte Dreama Walton das Podium der Mädels komplett.

Stolze Siegerinnen auch bei den Frauen!
Stolze Siegerinnen auch bei den Frauen!

Neben den Spitzenathleten gilt der Respekt aber vor allem Denjenigen, die sich bei diesem Sauwetter auf der Ultradistanz durch die Nacht (Dauerregen) gequält, und mit letzter Kraft das Ziel in Grainau erreicht haben. 
In diesem Sinne: Chapeau und Glückwunsch an alle Finisher, egal auf welcher Distanz!!!

 

 

Schlusswort

 

Schee wars bei der Supertrailvariante des Zugspitz Ultratrails.
Alles in allem eine rundum gelungene Veranstaltung mit super Organisation. 2500 Starter aus insgesamt 50 Nationen sprechen eine deutliche Sprache!

 

Nachdem ich im letzten Jahr schon in Grainau war, aber leider nach einem verletzungsbedingtem „Totalzusammenbruch“ passen musste, war das Finish beim Zugspitz-Supertrail ein sehr großer Erfolg und eine Entschädigung für die mühevolle Arbeit, die meiner Verletzungsmisere entgegen gesetzt wurde. Ein großes Dankeschön möchte ich an dieser Stelle an Frank vom Hummel-Ausdauershop richten, der mir in dieser Phase stets beratend zu Seite gestanden hat und durch dessen Tipps ich (nicht für möglich gehaltene!) Fortschritte in puncto Laufstil/ Laufökonomie, Beweglichkeit und Schnelligkeit erzielen konnte!

Freue mich auf weitere - hoffentlich verletzungsfreie - Laufkilometer...

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