MIUT - Madeira Island Ultra Trail

Gastbeitrag von Paul:

Madeira Island Ultra Trail – MIUT

Was hat man nicht alles schon über dieses Rennen gehört? Da wären zum einen die unglaubliche Landschaft mit ihren verschieden kleinen Klimazonen, tolle Aussichten, dichte dschungelartige Wälder und eine frische atlantische Prise. Zum anderen aber auch das zum Teil unberechenbare Wetter und natürlich die unendlich vielen Treppen. All das macht im Vorfeld den Reiz eines solchen Abenteuers aus und lässt einen mit Spannung auf das Event hin fiebern.

 

Wie bereitet man sich also darauf vor, 115 km mit 7200 hm auf einer Insel mitten im Atlantik zu laufen? Nun, am Anfang steht natürlich wie immer der Entschluss und die heutzutage notwendige zügige Anmeldung, denn das Rennen war innerhalb von 24 Stunden ausverkauft. Hier zeigt sich immer wieder, dass es wichtig ist eine Trailrunning-Saison sauber zu planen. Als nächstes stand die Recherche via Rennberichten und Videos an, um daraus Erkenntnisse für die spezielle Vorbereitung zu gewinnen. Schnell war klar, dass ausreichend Höhenmeter und ordentlich Treppen ins Training eingebaut werden müssen. Höhenmeter lassen sich im Hunsrück und den angrenzenden Flusstälern ja reichlich sammeln, wenn man Wiederholungen nicht scheut. Die Sache mit den Treppen ist da schon etwas schwieriger. Einmal verschlug es mich nach Heidelberg auf die Himmelsleiter. Meiner Meinung nach eine der besten Optionen für ein Madeira Training, aber auch im Rheintal wurde ich fündig und so spulte ich an der Loreley ordentlich Stufen auf und ab. Der Rest der Vorbereitung war eher klassisch, also mit Intervallen, sowie mit lockeren und langen Läufen gespickt. Allerdings habe ich diesmal auf ganz lange Läufe verzichtet und mehr versucht 3-4 Stunden Läufe an aufeinanderfolgenden Tagen zu absolvieren. Dies erleichtert unter anderem die Regeneration, senkt das Verletzungsrisiko und sorgt dennoch für eine ausreichende Anpassung hinsichtlich Laufen unter erschwerten Bedingungen. Aber genug des Vorgeplänkels und mitten hinein in den Lauf.

Hier ein paar Impressionen zum Vorgeschmack:

Der Start dieses Klassikers befindet sich im Nordwesten der Insel in Porto Moniz, einem kleinen Ort direkt an der Küste. Der Transfer erfolgte mit Bussen und ausreichend Zeitpuffer, sodass wir noch gut 90 Minuten Zeit hatten, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Eine halbe Stunde vorm Start ging es zusammen mit Jenny und Bernd in den Startbereich. Leider hatten wir uns ziemlich weit hinten eingereiht, was später noch zu dem einen oder anderen Stau führen sollte. Punkt 0 Uhr fiel der lange ersehnte Startschuss und knapp 1000 Teilnehmer setzen sich langsam in Bewegung. Die ersten Kilometer ging es in der Folge einen unspektakulären Hügel mit 400 hm hinauf und wieder herunter. Hinauf ausschließlich breit und asphaltiert bzw. betoniert, um das Feld etwas auseinander zu ziehen und hinab gespickt mit ein paar Trails und ersten Treppen. Hier staute es sich immer wieder und ein paar wenige Läufer*innen versuchten immer wieder an den unmöglichsten Stellen vorbei zu schlüpfen. Hier galt es einfach Ruhe zu bewahren und sich die Länge des Trails vor Augen zu führen. Auch der nächste Abschnitt war immer wieder durch kleinere Verzögerungen gekennzeichnet, zumal es jetzt zunehmend auf schmalere Pfade ging. Es galt den ersten richtigen Berg zu bezwingen, um zur ersten VP zu gelangen. Je höher man dabei kam, desto frischer wurde es. Wind und vor allem Nebel nahmen stetig zu, wodurch das begrenzte Sichtfeld weiter eingeschränkt wurde. Da überrascht es auch nicht, wenn man einen Meter neben sich mal eben eine Kuh entdeckt, die unser Treiben in aller Ruhe beobachtete. Einzelne Böen waren so kalt, dass es sich lohnte die Jacke überzuwerfen und an der VP eine gute und vor allem heiße Hühner-Nudelsuppe zu genießen. Überhaupt ist es während eines solch langen Unternehmens sehr wichtig möglichst konstant Kalorien zuzuführen. Hierzu plante ich regelmäßig Tailwind, Hammer Gele und ein paar GU Roctane Gele zu mir zu nehmen und das Ganze an den VP´s entsprechend zu unterfüttern. Bis hierhin klappte das soweit ganz gut.

Auf den folgenden Fotos könnt ihr euch einen Eindruck vom ersten Streckenabschnitt machen, den die Läufer bei Dunkelheit absolvieren musste. Die Bilder wurden von Mario auf seiner Solotour über den MIUT geschossen.

Aus der VP raus ging es dann noch ein Stück wellig daher, bevor ein neuer weniger gefährlicher Downhill als die Jahre zuvor in Angriff genommen wurde. Fordernd war dieser in jedem Fall und in weiten Teilen stufig und anspruchsvoll, sodass sich meine ursprüngliche Enttäuschung, nicht den alten Weg nehmen zu können, dann doch in Grenzen hielt. Hier staute es sich nochmal gelegentlich, was aber durchaus als Vorteil zu sehen ist, weil ich sonst wohl meiner Downhill-Lust nachgegeben hätte. So ging es gemütlich in die nächste VP, wo es abermals wichtig war die Vorräte gut zu füllen, denn anschließend folgte einer der härtesten Uphills des ganzen Rennens. Anfangs war es hier richtig steil und mit Stufen durchsetzt, was es schwierig macht einen guten Rhythmus zu finden, aber irgendwann ist man drin und solange man im Wald ist, gibt es auch nicht allzu viel zu sehen. Später öffnete sich das Gelände wieder und es wurde einem sofort wieder bewusstgemacht, dass man sich mitten auf dem Atlantik befindet. Also Jacke wieder an und Nebel und Wind weiter trotzen. Ab und an gab der Nebel den Blick auf den Himmel frei. Dieser intensive Mondschein und das Leuchten der Sterne werden mir besonderes Erinnerung bleiben. In dieser Klarheit findet man sowas in unseren Breiten einfach nicht. Nachdem das gröbste Stück des Anstiegs geschafft war, zog es sich dann immer leicht ansteigen über ein weitläufiges Hochplateau zum nächsten VP, an dem nicht nur die Verpflegung im Mittelpunkt stand, sondern auch der Heizpilz. Mit dem ersten Dämmern des Morgens wurde der anschließende Downhill eingeläutet. Erst recht breit und gut laufbar und später dann im Wald abtauchend mit den bekannten nassen Holzabsätzen. Diese Lorbeerwälder verströmen einen ganz besonderen Duft. Hier machte sich so langsam ein kleiner Hotspot an der Fußsohle bemerkbar, welchen ich am nächsten VP umgehend abklebte, was sich bei den feuchten Füssen als recht schwierig herausstellte. Damit war gut ein Marathon geschafft und alles in allem war ich noch gut beieinander.  

Im nächsten Abschnitt ging es eher unspektakulär zu, lediglich eine recht lange und steile Treppe und ein Stück hinab zum nächsten VP auf Asphalt sollten etwas unangenehm werden. Auf diesem Abschnitt kamen auch die Ultra-Läufer ins Spiel, sodass man sich plötzlich ziemlich lahm vorkam und sich immer wieder bewusstmachen musste, was man schon in den Beinen hatte und vor allem was noch kommen sollte. Das ein oder andere Gespräche kam dabei sehr gelegen, besonders, wenn man sich auf einmal mit einem PTL Finisher unterhält. Ab dem 5. VP konnte ich leider nicht so gut verpflegen wie bisher, obwohl es endlich den ersehnten Schinken gab. Leider sah mein Magen das Ganze etwas anders und so hätte ich um ein Haar das Blumenbett gedüngt. Aber der Geiz siegte und ich behielt die dringend benötigten Kalorien bei mir. Im Weiteren ging es ein verflucht steiles Stück entlang einer Pipeline den Berg hinauf. Ein Profi bemerkte hierzu so schön, dass man auch gern hätte eine Leiter aufstellen können. Oben angekommen folgten wir einem wirklich traumhaften Trail, der in Teilen sogar gut laufbar war. So erklommen wir in uriger Kulisse langsam einen Bergpass unterhalb des Pico Grande, um uns im Anschluss in einen alpinen Downhill zu stürzen, der mit frischen Beinen ein echtes Schmankerl gewesen wäre. So aber war es ein hartes Stück Arbeit hinab zu kommen, zumal sich die Sonne so langsam dem Zenit näherte und die Temperaturen merklich nach oben schnellten. Im nächsten Ort wartete dann unser Dropbag und dazu eine große VP an der ich mit Mühe etwas Reis hineinbekam. Frische Klamotten gab es obendrein und nach einer kurzen Kontrolle der Pflichtausrüstung ging es auch schon wieder hinaus. Die Pflichtausrüstung bei diesem Lauf ist übrigens erfreulich klein und auf das wesentliche begrenzt. Daran könnten sich viele Veranstaltungen ein Beispiel nehmen, denn was man alles mitnimmt, hängt doch im Wesentlichen vom eigenen Können und Empfinden ab. Etwas Eigenverantwortung sollte hier die Regel sein.  

Hier noch ein paar Bilder von Mario bei teilweise scheiss Wetter, da hatten die Läufer beim MIUT sicher eine bessere Aussicht.

Aber zurück zur Strecke. In der Hitze des Tages erklommen wir langsam aber stetig den nächsten Abschnitt zur Hütte kurz unterm Pico Ruivo, dem mit 1862 m Höchsten Gipfel auf Madeira. Leider trickste mich ab diesem Punkt meine Uhr immer wieder aus. Durch diverse GPS Fehler wurde mehr Strecke angezeigt als tatsächlich von mir zurückgelegt. Daher schienen die VP´s immer etwas zu spät zu kommen, was dazu führte, dass die Aufnahme der Verpflegung etwas unstetiger wurde und der Tank auf diesem Teilstück ziemlich leer gefahren wurde. Zusätzlich kam Hunger ins Spiel, dem ich oben versuchte mit Kuchen zu begegnen, da es an herzhaften Alternativen fehlte. Auch das war sicher nicht optimal, sodass ich im spektakulären und höchsten Teil des Rennens etwas leiden musste.

Dazu kamen abwechselnd pralle Sonne, böiger Wind und kalte schattige Tunnel. Die Treppen in diesem Teil sind besonders hart, aber die Landschaft entschädigt dann doch für die ganzen Strapazen. Drei Tage nach dem Rennen sind wir diesen Abschnitt nochmal gewandert, aber wirklich einfach war es auch da nicht. Rechts und Links geht es hier mitunter mehrere 100 m in die Tiefe, allerdings ist alles soweit ausgebaut, dass wirklich jeder hier unterwegs sein kann. Etwas Fitness vorausgesetzt zugegeben. Die markante Kuppel auf dem Pico do Arieiro läutet das Ende dieses tollen Teilstücks ein und in der Folge verliert man wieder etwas an Höhe auf flowigen Trails zum nächsten VP, an der auch die Marathonläufer auf die Strecke stießen. Hier gab es endlich wieder den guten Reis mit etwas Hackfleisch, was eine ausgiebige Pause rechtfertigte. Leckere Sache und an dem Punkt war es dringend notwendig etwas Solides in den Magen zu bekommen, denn die letzten Stunden waren sehr kräftezehrend gewesen.

Nun ging es nochmal etwas wellig dahin, teilweise an einem schönen Levada entlang und da die Energie noch ziemlich im Keller war, stoppte ich bald wieder, um mich einer kleinen Geheimwaffe zu bedienen. Das Hammer Espresso Gel genoss ich bei bester Aussicht aufs Gebirge, welches sich von untenher langsam mit dem mythisch anmutenden Nebel vereinigte. Der folgende Downhill war durchaus noch zäh, aber sobald es wieder hinaufging, konnte ich wieder konstant mithalten und sogar den ein oder anderen Platz wiedergutmachen. Da der Magen nun auch wieder voll im Spiel war, war der Grundstein für ein starkes Finish gelegt. Denn nachdem wir aus dem zwischenzeitlichen Nebelschwaden wiederaufgetaucht waren, ging es im Grunde nur noch bergab. Zum Beginn dieses ewigen Downhills setze langsam die Abenddämmerung ein. Die hohen Berge die wir einst überquert hatten, zeichneten sich nunmehr als pechschwarze Silhouette ab und dahinter färbte sich der Himmel in allen Farben. Das Ganze wurde außerdem durch den darunterliegenden Nebel eingerahmt. Sicher unvergessliche Bilder, die auf ewig haften bleiben. Mit diesen Letzen Eindrücken des Tages tauchten wir nun endgültig in den Nebel und damit auch in die Nacht ab, um uns stetig dem Ziel zu nähern. Alsbald deutete meine Lampe mit anhaltendem Flackern das Ende des Akkus an und plötzlich stand ich auch schon im Dunkeln. Mit der Hilfe freundlicher Mitläufer war aber auch dieser kleine Fauxpas schnell behoben und es konnte sicher weitergehen. Endlich purzelten auch die Kilometer dahin und die Energie kehrte vollends in meinen Körper zurück. Es dauerte nicht lange und ich erreichte nach abwechslungsreichen Abschnitten den letzten VP.  

Grundsätzlich hatte ich mir für diesen Wettkampf drei abgestufte Ziele gesetzt. Im Optimalfall schienen 20 h möglich. Davon musste ich mich allerdings schon früh im Rennen verabschieden. Das nächste Ziel war es gewesen unter 24 h zu bleiben und genau das schien am letzten VP durchaus noch möglich. Also nahm ich noch eines der berüchtigten Espresso Gele und unterfütterte das Ganze noch mit mehr Gel und Tailwind. Den nächsten Abschnitt könnte man so unter die Überschrift Zuckerflow stellen, denn ich lief gemessen an dem was hinter mir lag, wie entfesselt. Zumindest fühlte es sich so an für mich. Im Nachhinein muss ich wohl eingestehen, dass es vielleicht doch nicht ganz so schnell war wie gedacht. Aber im Vergleich zum Rest immer noch deutlich schneller. Im Hellen wäre dies sicher auch ein sehr beeindruckender Teil gewesen, aber durch die Dunkelheit ließ sich die Steilküste an der wir entlang kamen lediglich erahnen. Aber meine Aufmerksamkeit war ohnehin auf den Trail gerichtet, da ich um die 24 h Marke kämpfte und dabei noch richtig viele Läufer einsammelte. Dabei ging ich wirklich an die Grenze und zum Teil darüber hinaus, sodass sich der ein oder andere Strauchler einschlich und ich ziemlich zum Ende nochmal - blöd stürzte. Dennoch kam das Ziel langsam in greifbare Nähe.

Was folgte war ein langes Versprechen vom Finish, den auf einen Taleinschnitt folgte ein Taleinschnitt, folgte ein Taleinschnitt. Und die Stirnlampen der Vorauseilenden ließen erahnen, dass es noch ewig so weitergehen würde. Die Zeit schwand und die Erkenntnis das es nicht ganz reichen würde sickerte langsam durch. Aber schließlich machte ich das Beste daraus und holte weiter Platz um Platz auf. Und irgendwann ging es dann doch noch über eine holprige Wiese hinunter nach Machico. Unten angekommen folgte noch ein kurzes Stück entlang der Promenade und über eine Brücke hinein ins Glück. Der ordentliche Zielsprint endete mit einem satten Sprung durchs Ziel. Die Uhr stoppte bei 24:14 und ein ganzer Tag war wie im Flug vorbeigezogen.  

Was bleibt am Ende eines solchen Abenteuers ist die Erkenntnis, dass man im Grunde alles schaffen kann. Auch wenn ich die 24 h gerissen habe, so habe ich doch mein letztes Ziel von Sub 29 h locker halten können und damit auch den nötigen Qualifikationslauf für Western States 100 in der Tasche. Außerdem bin ich im Nachhinein happy über mein konstantes Rennen, denn ein richtig heftiges Tief ist mir erspart geblieben. Klar gab es verschiedene Phasen mal gut und mal weniger gut, aber die Zuversicht zu finishen und die positive Grundstimmung waren immer da. Selbst die Verpflegung funktionierte über weite Strecken super, auch wenn ich hier sicher noch Verbesserungspotenzial habe. Alles in allem hat das Paket gepasst und meine eingangs geschilderte Vorbereitung hat sich durchaus ausgezahlt. Auch vom Material her gab es keine Klagen, die Hotspots an den Füssen habe ich frühzeitig unter Kontrolle bekommen und die Hoka One One Speedgoat 3 haben einen tadellosen Job erledigt. Grip und Dämpfung wo immer gefordert und das obwohl ich den Schuh erst zum zweiten Mal anhatte. Am Ende ein super Rennen auf das eine hoffentlich weiter erfolgreiche Saison aufgebaut werden kann. Ach ja und zum Themen Treppen. Ja es gibt Sie durchaus reichlich und in allen möglichen Formen, aber so schlimm wie es in manchen Schilderungen rüberkommt, ist es sicher nicht.

 

Glückwunsch auch an Jenny und Bernd, die die Strecke ebenfalls erfolgreich bewältigten, sowie an Verena und Ulrike, die erfolgreich beim Marathon glänzten.