Brocken Challenge 2018

Gastbeitrag von Paul:

 

"Von der Gewalt, die alleWesen bindet,

befreit der Mensch sich, der sich überwindet."

 

Dieses Zitat von Johann Wolfgang von Goethe ist derLeitspruch der Brocken-Challenge, an der ich vor kurzem teilnehmen durfte. Und auch wenn der literarische Altmeister noch nicht geahnt haben dürfte, was einUltraläufer ist, so beschreibt er damit doch sehr treffend, was wir immer wieder erleben können, wenn wir uns auf machen neue Grenzen zu überwinden.

Brocken Challenge 2018
Paul in vollem Einsatz bei der BC 2018

Nun also die Brocken-Challenge. Einer der Läufe, von denen die meisten Ultraläufer in Deutschland schon einmal gehört haben werden und der einen ganz eigenen Reiz ausstrahlt. Fünfzehn Ausgaben gab es bisher, diese eingeschlossen. Dabei gilt es von Göttingen aus auf den Brocken zu laufen. Das macht in Summe stolze 80 km und 1900 hm im Aufstieg. Termin ist traditionellder zweite Samstag im Februar, wettermäßig ist also Alles möglich. Dieses Jahr, das sei am Anfang verraten, fanden wir trotz Sturm Friederike im Vorfeld sehrgute Verhältnisse vor und auch das Wetter am Veranstaltungstag war uns gewogen.

Doch zurück zum Anfang. Um überhaupt teilnehmen zu können, muss man sich Anfang November bewerben, denn die Startplätze sind begrenzt. Knapp 500 Leute meldeten sich zur Lotterie an, Anfang Dezember kam dann die Zusage und an der Startlinie standen am Ende etwa 180 Läufer. So ging es also freitags nach Göttingen, um dem verpflichtenden Briefing auf dem GöttingerUnigelände beizuwohnen. Zur Einleitung wurden Impressionen vergangener Auflagen, untermalt von exotischer Musik und garniert mit Laufzitaten gezeigt. Bei den Instrumenten handelte es sich zum Teil um traditionelle nepalesische, womit auch gleich die Brücke zum Wohltätigkeitsaspekt der Veranstaltunggeschlagen wurde. Mit den Startgeldern und weiteren Spenden werden diverse (Hilfs-)Projekte im In- und Auslandunterstützt. Eine weitere Besonderheit dieses Laufes sei noch erwähnt: Es gibt keine Pflichtausrüstung, getreu dem Motto, Ihr seid alt genug. Eigenverantwortungstatt Kontrolle und Vorschrift - finde ich gut!

Brocken Challenge 2018

Zeitsprung. Nach einer durchwachsenen Nacht ging es auf zum Start am Rande des Göttinger Waldes, wo in einem alten Tanzsaal ein unfassbar reichhaltiges Frühstück angeboten wurde. So kurz vor dem Start ist dennoch Zurückhaltung ratsam. Zumindest für mich. Bevor es nun endlich losging, wurde noch einen kleines Geburtstagsständchen für Florian Reichert, dem Seriensiegerdieser Veranstaltung, gesungen. Auch hier zeigte sich wieder diese besondere familiäre Atmosphäre. Im Anschluss ging es pünktlich um 6 Uhr bei klaren und kalten Verhältnissen los. Die ersten Kilometer wurde der Weg immer wieder von Fackeln gesäumt und so sortierte sich das Feld langsam aber sicher unter der Sichel des Mondes. Ich ließ es erstmal ruhig angehen, wenn gleich ich immer bemüht war, mich ein wenig nach vorne zu schieben. Das Geläuf selbst war einfach. Nach ein paar welligen Kilometern, ging es eine erste Kante hinunter, vorbei an einem Waldstück hin zum 1. VP nach gut 11 Kilometern. Blickte man zurück, wurde die Nacht von unzähligen Stirnlampen erleuchtet.

Auf dem Weg zur 2. VP hielt der Tag langsam Einzug und der klare Himmel lies auf einen schönen Tag hoffen, leider blieb es nicht ganz so freundlich in der Folge. Besonders schön präsentierte sich der Seeburger See, der in dieser morgendlichen Kälte eine bezaubernde Ruhe ausstrahlte. Vor mir fand sich immer mal wieder ein Läufer an den ich mich heranziehen konnte und so verging die Zeit wie im Flug. Ein Stück nach der 2. VP ging es ein kurzes trailiges Stück hinauf zur Tilly Eiche, leider eine Ausnahme auf dieser Strecke, aber doch eine sehr willkommene Abwechslung zu Forst- und Feldwegen. Auf diesem Abschnitt erreichten wir mit 153über NN auch den tiefsten Punkt des Rennens. Ein Schild, das durchaus gemischte Gefühle auslöste, zumal wir kurz vorher auf einer Anhöhe bereits Richtung Brocken blicken konnten. Nach dem Passieren des 3. VP setzte ich meinen Weg durchs Feld immer weiter fort und konnte mich zunehmend nach vorne arbeiten, sodass ich nach der Marathondistanz beim 4. VP in Barbis bereits an den Top 10 schnupperte. Dort traf ich zum letzten Mal auf Verena, die mich bis dahin an jeder VP unterstützt hatte. Ich füllte meine Vorräte ordentlich auf, denn diefolgenden VP’s sind nur schlecht mit dem Auto zu erreichen, oder liegen zu naheam Ziel.

 

---- Perspektivenwechsel ----

Im Vorfeld des Laufs hatte ich mir bereits die Übersicht zuden einzelnen VP’s ausgedruckt und geschaut, welche am besten anzufahren sind. Dazu die Absprache mit Paul, ob es irgendwelche speziellen Wünsche an den einzelnen Posten gibt. Die Ansage war denkbar einfach: Nur Flaschen tauschen. Nach dem Start ging es also direkt zum 1.VP. Dank der Live Tracking Funktion bei Garmin konnte ich genau verfolgen, wann Paul dort sein würde. Kurze Überlegung - könnte neben der frischen Flasche noch etwas wichtig sein? Die Wahl fiel auf ein Buff Tuch, was tatsächlich dankbar angenommen wurde. Auch an den VP’s 2, 3 und 4 tauschten wir lediglich leere gegen volle Flaschen. Noch schnell die aktuelle Position durchgesagt undweiter ging´s.

 

---- Perspektivenwechsel ----

Ab jetzt ging das Rennen eigentlich richtig los. Die nächsten zwei Abschnitte nennen sich Entsafter I und Entsafter II. Die ernsten Anstiege begannen, die Zivilisation schwand und winterliche Bedingungen mit Schnee und Eis begannen sich einzustellen. Wir waren im Harz angekommen. Entgegen dem Namen dieser Abschnitte konnte ich weiter ein konstantes Tempo laufen und schloss zu weiteren Läufern auf. An der 5. VP - Jagtkopf, die von ein paar Reiterinnen abseits der für Fahrzeuge zugänglichen Wege eingerichtet wurde, machte ich nur ganz kurz halt.

Der Abschnitt zum 6. VP - Lausebuche war nun wieder etwas einfacher und ging wellig durch eine verschneite Winterlandschaft. Hier lief ich auf Attila auf, mit dem ich fortan mehr oder weniger gemeinsam dem Ziel entgegenstrebte. Während eines Ultralaufes sind Gespräche oft sehr hilfreich und obendrein sehr spannend. An der VP angekommen, lief ich direkt durch und war in der Folge wenige Kilometer allein unterwegs. Da man nun im Nationalpark war, gab es nur noch die offizielle Wegbeschilderung, was aber kein Problem darstellte. Etwa in der Hälfte dieses Abschnittes überkam mich eine kurze Übelkeit, der ich aber durch konsequentes Trinken gut entgegen wirken konnte. Als ich kurz darauf wieder im Laufschritt Richtung Gipfel strebte, wurde ich allerdings kurz von Attila überholt, ließ mich aber nicht abschütteln, sodass wir ab der letzten VP endgültig beschlossen, zusammen zu laufen und die letzten Meter einfach zu genießen.

 

----Perspektivenwechsel ----

Da die 5. VP nicht anfahrbar war und die Fahrstrecke durcheine größere Ortschaft führte, war das der ideale Zeitpunkt, sich selbst mit Kaffee und Brötchen zu verpflegen. Weiter ging es zu 6. VP, welche bereitsvöllig im Schnee lag. Kurz nach meiner Ankunft kam der erste Läufer bereits vorbei und nachdem ich auf dem Live Tracking sah, dass Paul immer noch recht zügig unterwegs war, kamen mir Zweifel, ob ich es rechtzeitig auf den Brocken schaffen würde, wenn ich noch warte. Andererseits hatte ich noch Stöcke bei mir, die Paul ggf. brauchen könnte. Nach kurzem Abwägen entschied ich mich jedoch für die Weiterfahrt, was im Nachhinein die bessere Entscheidung war. Nach einem kurzen Stau und Parkplatzsuchen in Schierke galt, es den Weg auf den Gipfel des Brockens zu finden. Da bekanntlich viele Wege nach Rom führen, war es nicht einfach, direkt den kürzesten Weg ausfindig zu machen, da es zwischen 7 und 10 km mehrere Varianten gibt. Eigentlich war ich in dicken Klamotten darauf eingestellt, dass ich einen gemütlichen Wanderaufstieg vor mir habe. Ein Blick auf das Live Tracking sagte jedoch etwas anderes. Da ich fast die gleichen Km wandernd zu bewältigen hatte, wie Paul laufend, ging nun der Wettlauf gegen die Zeit los, damit ich rechtzeitig am Ziel sein würde. Immer das Tracking beobachtend stieg ich also zügig auf, um schließlich nassgeschwitzt und kurz vor dem Zieleinlauf von Paul am Gipfel anzukommen.

----Perspektivenwechsel ----

Bis zum Gipfel sind es vom letzten VP noch gut 7 km. Dabei ging es weiter durch eine immer tiefer verschneite Landschaft, wobei der Untergrund immer gut laufbar blieb. Aufpassen muss man allerdings auf die Scharen von Wanderern und Skilangläufern, die aber meistens freundlich Platzmachten und mitunter interessiert nachfragten, was wir hier eigentlich tun. Eine Frage auf die es kaum rationale Antworten gibt. Zumindest wenn man mal ehrlich ist. Nachdem wir also die letzte ernsthafte Rampe überwunden hatten,g ing der Weg entlang der Brockenbahn, welche wir gleich zweimal zu Gesichtbekamen, bis zur Brockenstraße vor und die letzten Meter hinauf zum ersehnten Ziel. Leider lag hier oben mal wieder alles im Nebel, sodass es gar nicht so einfach war, den Zieleinlauf zu finden. Am Ende liefen wir gemeinsam nach 7:48 hauf dem 5. Platz ein. Ein obligatorisches Shooting am Brockenstein durfte im Anschluss natürlich nicht fehlen und rundete den Erfolg wunderbar ab.

Brocken Challenge 2018
Die stolzen Finisher der BC 2018 Paul und Attila

Im Anschluss ging es ab ins Warme, wo eine Dusche und ein reichhaltiges Buffett warteten, um sich wieder fit zu machen, denn zum Abschluss stand uns noch eine kleine Nach(t)wanderung nach Schierke ins Haus. Einen anderen Weg zurück gibt es nämlich nicht. Mit 7 Kilometern in der kürzesten Variante durch Schnee und Eis, zog sich der Weg am Ende eines solchen Tagesdoch ganz erheblich. Ein Schlitten wäre hier echt super gewesen. Aber auch diese Hürde nahmen wir mit einem Lächeln und erfreuten uns an dem teils abenteuerlichen Weg über die Alte Bobbahn.

Am Ende noch zwei Worte zu meiner Ausrüstung: Zum einen bin ich den S-Lab Sense Ultra gelaufen, ein Schuh der einfach funktioniert. Besonders weil ich mir diesmal weder einer Blase, noch einen Zehennagel blaugelaufen habe. Zum anderen möchte ich hier noch einmal Tailwind erwähnen, ein Pulver zum Auflösen in Wasser, welches Energie und Elektrolyte bereitstellt. Es schmeckt richtig gut, ist super verträglich und war die einzige Verpflegung, die ich während dem Laufen benötigt habe.

Und schließlich zum Schluss nochmal der besondere Dank an meine Begleitung, die mich an den ersten VP’s wunderbar unterstützt hat und am Ende, wenn auch knapp, im Ziel in Empfang genommen hat!